Ein offener Brief an den steirischen Fußballverband
Bezugnehmend auf die neuen, Ende letzter Woche veröffentlichten Nachwuchsbestimmungen möchten wir folgendes anmerken:
Wie treffsicher eine sogenannte „Reformidee“ des steirischen Fußballverbandes in Bezug auf Jugendspiele ist, zeigt sich exemplarisch am besten an den heutigen Ergebnissen der U14 Gebiet West und bei einem näheren Blick in die dortige Torschützenliste. Wobei man hierzu natürlich auch wissen muss, welche neue Idee von der obersten Instanz im steirischen Fußball hier geboren wurde: Und zwar hat eben dieser Verband vor 2 Jahren eine Regelung eingeführt, die es u.a. gerade kleineren Vereinen oder Spielgemeinschaften ermöglichen soll, durch 3 zusätzliche Spieler aus einem um ein Jahr älteren Jahrgang überhaupt Mannschaften nennen zu können.
Nach einer lt. offiziellen Quellen „internen Evaluierung“ (wobei hier nach unseren Recherchen kein einziger von uns befragter Verein um eine Stellungnahme zu diesem Thema gebeten wurde) und lt. eben diesen Quellen „sehr vielen positiven, aber auch negativen Rückmeldungen von Vereinen, Eltern, Trainern bzgl. dem Einsatz von älteren Spielern in „niedrigeren“ Altersklassen“ (Achtung, Sarkasmus: also einigen so richtig stichhaltigen Argumenten, die sicher nichts mit der eigenen Mannschaft, dem eigenen Kind oder mit dem eigenen Erfolgshunger zu tun haben) hat man nun in einer Nacht- und Nebelaktion die vielen von eben diesem Verband (eigentlich) zu unterstützenden Vereine vor vollendete Tatsachen gestellt und mit einer unzulässig kurzen Vorlaufzeit folgende weit greifende Änderung für die kommende Saison (!) beschlossen:
Nämlich die Verlegung des Stichtages älterer Spieler von 1.1 auf 1.7.
Klingt erstmal nicht tragisch und ist es wahrscheinlich auch nicht. Zumindest nicht für jene größeren Vereine, Spielgemeinschaften oder Ausbildungszentren, die in Bezug auf ihre Jugend bereits in der Vergangenheit aus dem Vollen schöpfen konnten und das nun unabhängig von dieser Regelung natürlich auch weiterhin tun können. (Eine wichtige Anmerkung speziell in Richtung des Verbandes: Die Ligazugehörigkeit einer Kampfmannschaft hat nichts, aber auch gar nichts mit der „Größe“ eines Vereins respektive dessen Jugend zu tun.)
Die Antwort auf das Warum gibt uns hierbei die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die schnell und einfach erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit bei nahezu 100% liegt, dass ein Verein auch in Zukunft die volle Anzahl an älteren Spielern stellen wird können, wenn einfach nur der Pool an Spielern dieses Jahrgangs groß genug ist. Dass im Gegensatz dazu bei einer kleinen Spielgemeinschaft wie bei uns, wo wir z.B. im Bereich der U14 nur punktgenau 3 ältere Spieler haben, die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur ein einziger Spieler lt. neuem Reglement spielberechtigt sein wird, gegen Null gehen wird (und es leider auch tut), liegt auf der Hand.
Und bedeutet in unserem konkreten Fall, dass somit 3 von 3 Spielern im nächsten Jahr ob dieser obskuren und absolut nicht nachvollziehbaren Entscheidung von heute auf morgen nicht mehr einsatzberechtigt sein werden und dass viele Vereine mit Sicherheit Mannschaftsrückziehungen vornehmen oder erst gar nicht nennen werden (können).
Die fast schon an Spott grenzende Antwort des Verbandes auf unsere Anfrage hierzu lautet, dass a.) „die betroffenen Spieler in einer U17 mehr gefordert wären, was für ihre Entwicklung vorteilhafter wäre“ (die Antwort, wo man diese Mannschaft hernehmen sollte, ist man uns bis heute leider schuldig geblieben) und dass man b.) „hoffe, dass unsere Spielgemeinschaft auch in der kommenden Saison allen Jugendlichen weiterhin ein fußballerisches Betätigungsfeld anbieten könne – sei es durch Zusammenarbeit mit noch einem Verein oder durch Leihe von neuen Spielern.“
Angesichts soviel Realitätsferne fehlen einem fast die Worte, da kann man sich nur wundern.
Fakt ist, dass diese geplante Regeländerung
- eine massive Verschlechterungen für kleinere Vereine zur Folge hat und damit nicht mehr, sondern wesentlich weniger sportliche Fairness schaffen würde
- gerade in Zeiten nach bzw. während einer Pandemie den ohnehin schon schwer angeschlagenen Sport und die vielen kleinen Vereine noch weiter belastet
- ein reines Glücksspiel für jeden (kleineren) Verein bedeutet: Sind meine älteren Spieler zu alt für den neuen Stichtag? Ja? Pech gehabt, schaut selbst, wie ihr zu neuen Spielern kommt, schaut selbst, wie ihr Mannschaften stellen könnt (aber zahlt bitte brav die Strafe für nicht genannte Nachwuchsmannschaften)
- dass ÖFB, vor allem aber der Steirische Fußballverband medial zwar groß und breit angekündigt haben, alles nur Erdenkliche machen zu wollen, um möglichst viele Spieler bei den Vereinen halten und so die Auswirkungen der Pandemie in Grenzen halten zu wollen, mit dieser geplanten Maßnahme im Endeffekt jedoch genau das Gegenteil davon getan haben
- und vor allem auch, dass diese geplante Änderung mit einer unzulässig kurzen Vorlaufzeit bekannt gegeben wurde, die den Vereinen keinerlei Reaktionsspielraum mehr lässt und im schlimmsten Fall zum Abgang von Jugendspielern und zu einer Rückziehung bzw. Nicht – Nennung von Jugendmannschaften führt.
Übersehen wird bei diesen anscheinend auf wenigen Rückmeldungen einiger Vereine, Funktionäre, Trainer und Eltern sowie auf reinen Statistiken (über die Rückmeldung des Verbandes, dass „Spieler A in X Spielen Y Tore erzielt hat“, kann man wohl ebenfalls nur den Kopf schütteln) basierenden neue Maßnahmen auch gerne, dass gerade in dieser Altersklasse, im Übergang zum Erwachsenenfußball völlig unabhängig von einem Stichtag und teilweise sogar vom Geburtsjahr oft riesige körperliche Unterschiede vorhanden sind, die durch kein Reglement wettgemacht werden können.
Unterschiede, die man allerdings aus keiner Statistik herauslesen kann und die man nur durch Anwesenheit bei einzelnen Jugendspielen sehen könnte. Sofern man (auch oder gerade als Entscheidungsträger) solchen Spielen eben beiwohnen und sich auch einmal persönlich ein Bild von der Sache machen würde. Unterschiede, die auch durch diese geplante Änderung nicht aus der Welt geschafft werden.
Konkret anhand eines Beispiels: Ein Blick auf die heutigen Ergebnisse in der U14 Gebiet West und auf jene Spieler, die diesen Spielen und auch der Torschützenliste ihren Stempel aufgedrückt haben, zeigt „eindrucksvoll“ (Achtung, erneuter Sarkasmus) die „Treffsicherheit“ dieser Maßnahme, da in beiden Spielen die so genannten „jüngeren Älteren“ (also die nach 1.7 geborenen Spieler) maßgeblich an den Erfolgen beteiligt waren und das nach dieser „großartigen“ Reform auch in der kommenden Saison noch tun werden und dürfen.
Was man auch gerne übersieht: Kleine Spielgemeinschaften wie wir sind leider darauf angewiesen, die Spieler mehrerer Jahrgänge zusammenlegen zu müssen und konnten so z.B. im Bereich der U14 (JG 2008, 2009 und sogar 2010 sowie eben 3x 2007) den sehr niedrigen Altersschnitt dieser Mannschaft durch die wenigen älteren Spieler zumindest zu Teilen kompensieren, während größere Vereine den Großteil ihrer Spieler klarerweise aus der höchsten zulässigen Altersstufe stellen und zusätzlich auch noch ältere Spieler eingesetzt haben.
Was also erhofft man sich von diesen Maßnahmen, wie soll hier für mehr Fairness gesorgt werden?
Fazit: Treffsicher geht sicher anders. Im Bereich der geplanten neuen Maßnahmen im Jugendfußball hat der Verband nämlich weit am Ziel vorbei und vor allem hoch darüber hinaus geschossen. Und so hat es den Anschein, dass Entscheidungen weit weg und ohne Wissen über die Realität in Österreichs Vereinen und auf den Fußballplätzen getroffen werden.
Kollateralschäden wie den Wegfall von Jugendmannschaften oder das mögliche Fehlen von Perspektiven von Spielern, die nun plötzlich ohne Mannschaft dastehen, nimmt man billigend in Kauf. Die Pandemie und ihre Auswirkungen hat man bei so viel „Reformwillen“ zwar komplett vergessen, doch was macht das schon. Zumindest medial hat man genau das Gegenteil davon verkündet.
Und so werden wir auch alle Hebel in Bewegung setzen und alle Möglichkeiten ausloten, um einer derartigen massiven Schlechterstellung kleinerer Vereine mit allen entsprechenden uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten zu können.
Unsere Forderung
Unsere Forderung und damit das Minimalziel dieser Initiative ist jedenfalls klar definiert: Nämlich zumindest eine Übergangsfrist von 1 Jahr und somit das frühestmögliche Inkrafttreten dieser Änderung mit Beginn der Saison 2023/24. Einfach, um es auch kleineren Vereinen zu ermöglichen, genug Jugendliche zur Bildung von Mannschaften finden, sowie Fußball auch in höheren Altersklassen anbieten und den Kindern somit eine sinnvolle Möglichkeit zur Freizeitgestaltung bieten zu können. Doch dafür braucht es Zeit und keine überstürzten, massiv verschärfenden Maßnahmen!
Denn so kann’s mit Sicherheit nicht gehen, so macht man den Jugendfußball kaputt!
P.S.: Darf und soll gerne geteilt werden!